
Wir leben im Zeitalter der Digitalen Revolution, die mindestens so große Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse haben wird wie die Industrielle Revolution. Ein markantes Zeichen dieser Epoche ist die Trennung zwischen analoger und digitaler Welt. Bereits die Pioniere des Internets erkannten diese Zweiteilung und sprachen gern vom „Reallife“, wenn sie das Leben außerhalb des Internets meinten. Bereits damals erschien ihnen das Leben im Internet, das virtuelle Leben, irgendwie anders.
Heute dagegen ist jeder auch von unterwegs aus immer mit dem Internet verbunden. So ist er auch, wenn er beispielsweise in einem Café sitzt, analog und digital zugleich. Dadurch werden die angesprochenen Grenzen von analog und digital wieder gesprengt und analoge und digitale Welt werden im dialektischen Sinne zu einer Einheit.
Was sind Nomaden im Digitalzeitalter?
Nomaden sind also ein Produkt des Digitalzeitalters bzw. erst dessen „Segnungen“ ermöglichen das Leben als digitaler Nomade. Im historischen Sinne sind Nomaden Menschen ohne feste Heimat, die von Ort zu Ort zogen, wenn die Ressourcen in der Nachbarschaft verbraucht waren. Heute hingegen ist das Leben als digitaler Nomade kein Ausdruck einer Notwendigkeit. Es ist vielmehr ein selbstbestimmter Lebensweg, der mit Träumen verbunden ist. Im Gegensatz zum modernen Traum: „Vom Tellerwäscher zum Millionär“, ist die neue Verheißung noch sehr viel angenehmer. Sie wird weniger mit harter Arbeit, Selbstaufgabe und Askese verknüpft, sondern vielmehr mit einer kreativen Form der Selbstverwirklichung. Warum sollte der Gelderwerb nicht auch mit Freude verbunden sein?
Der neue Traum digitaler Nomaden
Seitdem digitale Nomaden als neuartiges Phänomen aufgetreten sind, wurden diese von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen untersucht. Dabei wurden viele dieser Nomaden zu ihrem Lebensentwurf befragt. Immer wieder kam dabei zum Vorschein, dass digitale Nomaden das selbstbestimmte Leben in Freiheit schätzen sowie das Reisen als Folge der Ortsungebundenheit, die neben der digitalen Arbeitsform ein Kriterium für digitale Nomaden darstellt. Entgegen eines weit verbreiteten Vorurteils bedeutet das Leben als digitaler Nomade übrigens nicht nur das Schlürfen von Cocktails am Strand. Ein solches Leben würde für die meisten auch mit der Zeit langweilig werden und nicht zur Sinnerfüllung beitragen, die den postmodernen Nomaden so wichtig ist.
Alle Studien zu diesem Thema verweisen hingegen darauf, dass der Mensch, um glücklich zu werden, eine richtige Balance aus Arbeit und Freizeit benötigt, und digitale Nomaden holen sich aus beiden Bereichen nur das Beste. Die selbstbestimmte Arbeit ist für Nomaden ein kreativer Prozess und die Art der Arbeit eine, die den eigenen Leistungen, Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht. Zudem zeichnet digitale Nomaden eine hohe technische Affinität aus, sodass sie auch hierbei ihre Bedürfnisse ausleben können. Dass die Freizeit in exotischen Ländern verbunden mit Reisen zu den Destinationen seiner Wahl dem Kindheitstraum vieler Menschen entspricht und mit Abenteuer und Entdeckungen konnotiert ist, braucht schließlich nicht weiter ausgeführt zu werden.
Nach den inneren Einstellungen leben
Auch wenn das digitale Nomadentum strenggenommen nur eine Arbeitsform beschreibt, verbirgt sich hinter diesem Lebensstil eine Philosophie und Weltanschauung als verbindendes Element. So verweisen digitale Nomaden gern darauf, dass auch der materielle Reichtum nicht glücklich macht, was wiederum von Studien bestätigt wird, die aussagen, dass materieller Reichtum und Glück mit weniger als 10 Prozent korrelierten, während es hingegen die inneren Einstellungen seien, die das Wesen des Menschen und damit sein Glück ausmachten. Glück und Einstellungen besäßen hier eine Übereinstimmung von 90 %.
Indem digitale Nomaden ihren Traum leben, verwirklichen sie sich selbst und leben nach ihren Einstellungen und Werten. Entgegen eines weiteren Vorurteils schätzen digitale Nomaden soziale Kontakte sehr, was erklärt, dass sie bevorzugt in Coworking Spaces oder an für digitale Nomaden geschaffenen Internet-Cafés an den Traumstränden dieser Welt arbeiten. Dort kommen sie miteinander ins Gespräch, vergleichen und bewerten sich ihre kreativen Erzeugnisse und geben sich gegenseitig Feedback.
Minimalistische Lebensphilosophie
Dem Konsum kommt also für das persönliche Glück nicht die Bedeutung zu, die er in den westlichen und asiatischen Gesellschaften besitzt. Dies gilt auch unter der Prämisse, dass die Marktwirtschaft auf dem Prinzip des Massenkonsums basiert und sich der Wirtschaftskreislauf davon nährt. Doch ist der Kapitalismus offener für Veränderung als sein sozialistischer Gegenspieler, und so ist es kein Zufall, dass besondere Erfahrungen als neuer Trend eine immer größere Rolle innerhalb der Dienstleistungen spielen. So finden sich zunehmend neben Waren auch Angebote wie Kreuzfahrtreisen, Flüge mit dem Segelflieger und Exkursionen von Tropfsteinhöhlen im Sortiment. Dies deckt sich wiederum mit den Ergebnissen von Studien, nach denen Erfahrungen wesentlich nachhaltiger im Gedächtnis haften bleiben als physische Waren.
In dieser Hinsicht leben digitale Nomaden ideal, denn ihr aufregendes Leben basiert auf unzähligen Erfahrungswerten. Die Nomaden hält es nicht lange an einem Ort. Sie ziehen die Abwechslung der Beständigkeit vor. Sie beherrschen die Kunst des Loslassens, indem sie sich von den Bedürfnissen nach Gütern frei machen, die wiederum jede für sich eine Menge Energie absorbieren, und sich auf das beschränken, was sich gut und schnell wieder für den nächsten Umzug mitnehmen lässt, denn frei nach Sepp Herberger ist nach dem Umzug vor dem Umzug. Das sich Freimachen bezieht sich nicht nur auf Waren, sondern auch auf Verpflichtungen.
Bruch mit bürgerlichen Wertvorstellungen
So gehörten bürgerliche Ziele lange Zeit zum Kern bürgerlicher Wertvorstellungen. In der Tat bedeuten ein schönes Eigenheim mit einem großzügigen Garten, ein hochwertiges Auto und die Gründung einer Familie in den Augen der Gesellschaft, dass man es geschafft hat. Für diese Ziele wurde lange Zeit auch in Kauf genommen, dass einem wenig Zeit dafür blieb, den erworbenen Lebensstandard zu genießen, denn der Beruf, der ebenfalls nach den bürgerlichen Wertvorstellungen ausgewählt wurde, die Familie, der Garten und Haushalt saugten fast die ganze Lebenszeit auf.
Ständig im Stress zu sein und ständig fremdbestimmt ist der Preis dieses Lebensstils, der zwar dem eigenen Status behagen mag, nicht aber die eigene Lebensqualität. Wir möchten es nicht in Abrede stellen, dass es Menschen gibt, die ein solches Leben erfüllt. Doch wem Veränderungen mehr behagen als Sicherheiten und wem das Unkonventionelle mehr liegt als das Konventionelle, der ist mit diesem Leben nicht zufrieden, und der hat nun mit dem Lebensentwurf des digitalen Nomaden eine Alternative zur Hand, die ihm einen neuen Lebenssinn einflößt.
Vor allem die Tretmühle Arbeitsplatz als abhängig Beschäftigter im Büro oder gar im Callcenter wird von digitalen Nomaden immer wieder als das benannt, dem sie nur allzu gern entfliehen wollten. Sie fühlten sich im Marxschen Sinne von ihrer Arbeit entfremdet, würden sich so allerdings auch als Angestellte eines Staatsunternehmen in einem sozialistischen System fühlen. Digitale Nomaden sind entweder Unternehmer oder Freiberufler (Freelancer). In jedem Fall haben sie keinen direkten Vorgesetzten und sind auch nicht eingebunden in die rigiden Regeln eines Betriebs verbunden mit dem immerwährenden Ärger mit Vorgesetzten und Kollegen. Sind sie Freiberufler, haben sie folglich keinen Arbeitgeber mehr über sich, sondern nur noch Auftraggeber, womit die direkten Beziehungen loser sind.
Welche Berufe sind als digitaler Nomade möglich?
Die Berufe als digitaler Nomade sind natürlich digitaler Natur und so beschaffen, dass sich die Aufgaben vor dem Laptop oder Tablet ausführen lassen. Erst dies macht das Bild, was jeder mit dem Nomaden verbindet, der mit seinem Arbeitsgerät am Strand arbeitet, zur Realität. Digitale Nomaden führen Dienstleistungen aus. Sie sind Webdesigner, Grafiker, Trader Nomaden, Daten-Analysten, SEO-Experten, Fotografen, freie Blogger und Journalisten. Auch treten sie als Künstler und Musiker in die Fußstapfen der altehrwürdigen Boheme, vermitteln als freie Lehrer über den digitalen Weg ihre Wissensinhalte oder bedienen als Texter ihre Auftraggeber.
Viele digitale Nomaden bauen sich als persönliche Coaches ihren Kundenstamm auf oder beherrschen eine Fremdsprache so gut, dass sie als Übersetzer nachgefragt werden. Auch der Job als Influencer ist tendenziell möglich, sobald man sich in der digitalen Welt einen gewissen Kultstatus erarbeitet hat und mit seinem Charisma die Massen erreicht. Diese Möglichkeit, etwas aus seinen Fähigkeiten zu machen, erfüllt viele Nomaden mit innerer Genugtuung. Auch ist es durchaus spannend zu sehen, wie sich die eigene Leistung direkt bezahlt macht als unabhängig von Fleiß und Leistung jeden Monat immer nur denselben Fixbetrag in seinen Kontoauszügen zu sehen.
Digitale Nomaden und Familie
Viele digitale Nomaden sind Singles oder Paare, weil ihnen dieser Status eine größere Unabhängigkeit beschert. Doch gibt es durchaus auch Familien, deren Eltern digitale Nomaden sind. Für die Kinder ist das nomadisierende Leben erst Recht ein Abenteuer und auch sie finden ein Maß an Freiheit, das ihnen das bürgerliche Leben niemals bieten kann. Für ihre Bildung ist im digitalen Zeitalter zudem gesorgt, denn wenn die Eltern sie nicht an den Schulen vor Ort anmelden möchten, stehen bereits im Internet Online-Kurse und Online-Ausbildungspläne zur Verfügung, sodass ihre Eltern sie selbst für spätere Prüfungen vorbereiten können. Außerdem ist dieses Leben, das so reich ist an Eindrücken und Erfahrungen, der beste Lehrmeister.
Digitaler Nomade werden: was zu beachten ist
Das proklamierte Loslassen beginnt bereits mit dem Eintritt als digitaler Nomade, denn schon muss man seinen Freunden, Kollegen und Verwandten vermitteln, dass man sie bis auf weiteres nicht mehr sehen wird. Sind die Abschiedstränen vergossen, muss sich mit den gesetzlichen Bestimmungen vertraut gemacht werden, die in jedem Land anders sind. Nach einigen Jahren können auch die Behörden in Deutschland Schwierigkeiten machen, weil diese festgestellt haben, dass man sich kaum bis gar nicht mehr im Land aufgehalten hat. Dies alles gilt es zu berücksichtigen. Für den Gesundheitsschutz empfiehlt sich entweder eine private Krankenversicherung oder eine gesetzliche mit zusätzlichem Auslandsschutz. Zu beachten ist, dass man fortan selbst für sein Vorwärtskommen verantwortlich ist und als Freiberufler natürlich weiterhin seine Auftraggeber bedienen bzw. Fristen einhalten muss.
Die Steuern können in diesem Fall ganz normal zum Beispiel als Selbstständiger in Deutschland überwiesen werden. In diesem Punkt wird sich auch vom Ausland aus nichts ändern. Wer nicht unter die Kleinunternehmerregelung fällt, wird sich freuen, für Rechnungen ins Ausland keine Mehrwertsteuer mehr bezahlen zu müssen. Das Bezahlsystem der Wahl ist wegen seiner Eingängigkeit meist Paypal. Um vor allem für längere Visa Unterstützung zu erfahren, kann man sich jederzeit an Visaagenturen wenden, die es nahezu in jedem Land gibt und die bei dem Antrag und den Verfahrensabläufen weiterhelfen. Wer seinen ständigen Wohnsitz im Ausland anmeldet, spart weiteres wertvolles Geld, denn er entgeht den hohen deutschen Steuern, die andernfalls zu entrichten wären.